Cannabinoide und Palliative Care

Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) nahm dazu wie folgt Stellung: „Für Cannabinoide konnte eine deutliche antiemetische Effektivität im klinischen Einsatz nachgewiesen werden. Cannabinoide sollten jedoch der Behandlung von Patienten vorbehalten bleiben, bei denen mit den herkömmlichen Antiemetika keine ausreichende Linderung zu erzielen ist. Darüber hinaus kann man anhand der bisher durchgeführten Untersuchungen schlussfolgern, dass THC ein potenziell sinnvolles Medikament zur Appetitsteigerung bei multisymptomatischen Tumorpatienten ist. Neben der Appetitsteigerung können diese Patienten, für die das Behandlungsziel eine Verbesserung der Lebensqualität ist, auch von einer möglichen Stimmungsaufhellung durch das THC profitieren. Die Symptomlinderenden und stimmungsaufhellenden Wirkungen der Cannabinoide bei Patienten mit schweren unheilbaren Erkrankungen, die durch eine Vielzahl von Symptomen belastet sind, können somit im Sinne einer palliativmedizinischen Behandlung von Nutzen sein, wenn dieses Ziel mit anderen Maßnahmen nicht erreicht werden kann, weshalb der Einsatz von Cannabinoiden in einer therapierefraktären Situation zweifellos zu begrüßen ist.

(Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin)

Meine Erfahrung

Dronabinol hat in den letzten zwei Jahren für mich im Praxisalltag deutlich an Bedeutung gewonnen. Im palliativen Setting leiden die Patienten  an mehreren, oft komplexen Symtomen. Schmerzen, Atemnot, Inappetenz, Übelkeit, Schwäche, Ängste und Unruhe. Zum Glück haben wir heute gute Möglichkeiten mit dem gezielten Einsatz von entsprechenden Medikamenten. Doch wir erleben mit den Patienten immer wieder unsere Grenzen. Dronabinol findet hier einen immer wichtigeren Stellenwert, schon vor erreichen von Grenzsituationen sollte es eingesetzt zu werden. Der angespannte, ängstliche, wie gelähmt wirkende Mensch, aber auch der agitierte Patient mit Schmerzen („alles tut weh“), profitiert von Cannabinoiden, aber auch der Patient mit therapiebedingter oder krankheitsbedingter Inappetenz und Übelkeit, wenn andere Medikamente keinen Erfolg zeigen.

Information am Beginn

Wichtig ist eine gute Anamnese bezüglich der Verträglichkeit von medikamentösen Vortherapien. Es gibt oft schon negative Erlebnisse, die einen Einstieg in eine neue Therapie blockieren können. Manche Menschen berichten über schlechte Vorerfahrungen mit  selbst besorgten Cannabinoiden (z.B. Halluzinationen, „sich daneben fühlen“). Über mögliche Überdosierung muss aufgeklärt werden. Sicherheit geben, niedrige Dosierung am Beginn erklären, langsame Steigerung besprechen. Mögliche überzogene Erwartungen relativieren. Über die Wichtigkeit der Kombination mit Opioiden im Falle der Schmerztherapie muss Klarheit geschaffen  werden.

Auch immer wieder auftauchende Ängste vor Abhängigkeit müssen besprochen werden, unter Einbeziehung von Angehörigen. Wenn man sich an diese Grundsätze hält, ist das NW Profil nicht wirklich ein Problem.

Wirkung, Begleitung, Evaluierung

Auffällig ist oft eine gewisse Entspannung mit besserem Schlaf. Wir Ärzte sind es gewöhnt, dass wir eine medikamentöse Intervention setzen und schon erhoffen wir uns einen Effekt. Bei Dronabinol braucht es Geduld und beharrliche Begleitung und Betreuung mit laufender Evaluierung. Erst im Gespräch können sich positive Erfahrungen ergeben, die als Parameter bewusst gemacht werden müssen und positiv verstärkt werden dürfen. Eine positive Aufmerksamkeit für sich selbst muss gefördert werden. Dies kann  auch bei fortgeschrittener Krankheit positiv auf die Lebensqualität wirken.

Cannabinoide sind kein Wundermittel, aber aufgrund ihres spezifischen Wirkprofils stellen sie eine Erweiterung der vorhandenen Therapiemöglichkeiten dar, auf die man nicht verzichten sollte.

(Dr. Kraft Birgit, Wiener Geb.KK, Gesundheitsservice und Prävention, in Suchtmed 19, 2017)

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